Cannabis und Prävention im Anbauverein

Gebannt schaut Dr. Jakob Manthey auf die saftig grünen Cannabispflanzen der Anbauvereinigung Greenkeepers Leipzig. Der Wissenschaftler ist Mitte Dezember zu einem Ortsbesuch in die Anbauräume gekommen und zeigt sich überrascht vom hohen Aufwand, den der Verein für den Anbau betreibt. In wenigen Tagen werden die jungen Pflanzen von der LED-Anzucht in den NDL-Blüteraum umziehen. Zahlreiche Sensoren überwachen dauerhaft Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Beleuchtungszeiten. Automatisierte Systeme für die Steuerung von Wasser und Luft stehen bereit. Mehrere Kameras erlauben die Kontrolle aus der Ferne. Die technischen Systeme sind aber nur Hilfsmittel, sie ersetzen nicht die regelmäßige und umfangreiche Handarbeit, die der Vereinsanbau mit sich bringt. Denn die vielen Handgriffe – von der Desinfektion über das Mischen von Nährstofflösungen bis zur Pflanzenkontrolle – lassen sich nicht aus dem Homeoffice erledigen. Und auch bei Fragen zu Cannabis und Prävention müssen die Vereine anpacken.

Kanadische Tankstellen

Dr. Jakob Manthey ist Wissenschaftler und forscht zu Öffentlicher Gesundheit, Prävention und Konsum. Bereits im Vorfeld der jüngsten Cannabisgesetzgebung war er mit einer Machbarkeitsstudie an der öffentlichen Diskussion beteiligt. Aktuell beschäftigt er sich mit den Auswirkungen auf Medizin-Cannabis und Apotheken. Außerdem ist er zusammen mit WissenschaftlerInnen aus Düsseldorf und Tübingen mit der Gesamtevaluation des Gesetzes beauftragt. Hierbei sind auch Anbauvereine ein wichtiger Forschungsgegenstand. Denn wie und wo genau angebaut wird, wie die unterschiedlichen Vereine funktionieren und welchen Platz diese neben Eigenanbau und nun doch noch möglichen Modellprojekten einnehmen werden, wird sich erst noch zeigen müssen.

Trotz aller Kritik und Mängel der deutschen Cannabisgesetzgebung, sieht er aus einer Präventionsperspektive auch Chancen. Denn eine Legalisierung, die von finanzstarken Unternehmen vorangetrieben wird, interessiere sich zuerst um Absatzmärkte und Rendite. Risikoaufklärung und Konsumkompetenz seien da eher nachrangig. Der deutsche Weg mag im Vergleich zu Nordamerika vielleicht etwas bieder wirken, verhindere aber vorerst die Wiederholung bekannter Fehler: „Es ist schon absurd, dass man in Teilen von Kanada Cannabis an Tankstellen kaufen kann, obwohl bekannt ist, dass es Zusammenhänge zwischen Konsum und Unfällen gibt. Das gilt übrigens nicht nur für Cannabis, sondern umso mehr für Alkohol“, so Manthey. Dennoch ist es bisher noch deutlich zu früh, um eine seriöse Einschätzung zu den möglichen Folgen des Cannabisgesetzes geben zu können. Genau hierfür sind die begleitenden Studien zu Cannabis so wichtig; auch und gerade für Prävention in den Vereinen und außerhalb.

Leipziger Suchtbericht

Im Dialog mit der Forschung sieht Mareike Fraider vor allem die Weitergabe von geprüften Fakten und neuen Erkenntnissen. Aber einfach nur Flyer auszulegen, ist der Präventionsbeauftragten zu wenig: „Es geht auch darum, ein Angebot für Austausch und Vernetzung in und außerhalb der Vereine zu etablierten.“ Davon sei man in Sachsen noch einige Schritte entfernt. Für eine Schulung nach dem CanG müsse man in andere Bundesländer ausweichen und auch sonst gebe es keine konkreten Angebote von sächsischen Stellen für die Vereinsarbeit. Unterdessen hat die Stadt Leipzig ihren Suchtbericht 2024 vorgestellt und die Teillegalisieriung von Cannabis als wichtige Entwicklung für die aktuelle Drogenpolitik der Stadt erkannt. Mit 1,6% ist der Anteil der Suchtfälle im Zusammenhang mit Cannabis leicht angestiegen. Jenseits der bloßen Zahlen in den Fachberatungsstellen sieht die Stadt aber eine gesteigerte Notwendigkeit für funktionierende Präventionsarbeit, denn allein die Diskussionen um Cannabis haben „einmal mehr vor Augen geführt, wie wichtig fundierte und differenzierte Aufklärung und Prävention sind.

Wie genau diese gesellschaftliche Aufgabe auch von den Cannabis Clubs mitgetragen wird, wird sich zeigen. Sachsenweit wurden bis kurz vor Jahresende acht Genehmigungen von der Landesdirektion erteilt. Die Anbauvereinigung Greenkeepers Leipzig plant mit der Ernte und Abgabe im März 2025.

Bildquellen

  • Dr. Jakob Manthey im Gespräch mit Greenkeepers Vorstand Sebastian Koch: Matías Alfonso Zúñiga Fernández