Positionen und Einordnung der Anhörung zum CanG im Bundestag zu Anbauvereinen, CSC, Prävention, Schwarzmarkt und Kontrolle
Es war wenig Neues zu hören und lang bekannte Positionen wurden erneut ausgetauscht. Die Sachverständigenanhörung zum CanG im Gesundheitsausschuss hat keine Massen mobilisiert. Am kalten Berliner Novembernachmittag ist nur eine kleine Gruppe von CSC-AktivstInnen den Aufrufen der Weed-Crowd zur Kundgebung vor das Paul-Löbe-Haus gefolgt. Drinnen war es aus Sicht der Befürworter der Legalisierung zwar etwas wärmer, aber dennoch nicht gemütlich.
Denn richtig gehört wurde aus der KonsumentInnen-Perspektive nur Georg Wurth vom DHV. Der Fokus lag indes woanders: Strafvorschriften, Polizeikontrollen, Grenzwerte für den Straßenverkehr, Medizin, Pharmazie und Industrieproduktion. Eine Debatte mit Schlagabtausch war es freilich nicht, aber das Thema polarisierte auch die ExpertInnen und InteressenvertreterInnen. Umso mehr Einigkeit gab es dafür bei Finanzierungslücken für Präventionsmaßnahmen und kaum kontrollierbaren Auflagen für Konsum und Anbau.
Prävention und Verbotszonen
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BDPK) greift einen FDP-Kritikpunkt aus der ersten Bundestagsdebatte auf und macht sich für eine stärkere Berücksichtigung von Alkohol und Tabak im Rahmen der Prävention stark. Die Regelungen aus dem CanG, wie das Werbeverbot, sollten für alle berauschenden Substanzen gelten.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendschutz (BAJ) findet “Verbotszonen per se sinnvoll.” aber nur schwierig zu kontrollieren. Außerdem würde es zu Diskriminierung von Medizinalcannabis-Patienten führen und die Frage aufwerfen, wie der öffentliche Konsum Städten generell umzusetzen sein wird. Jedoch sei jede kontrollierte Legalisierung aus Sicht des Kinder- und Jugendschutzes besser als der aktuelle Zustand: “Auf dem Schwarzmarkt gibt es keine Prävention, keine Kontrolle, keine Aufklärung.” BAJ-Geschäftsführerin Maya Wegener fordert zusätzlich den Ausbau der Beratungsangebote. Dafür soll auch das Abstinenzgebot aus den Beratungs- und Behandlungsvorgaben entfallen.
Ingo Michels vom Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (Akzept) stellt fest, dass sehr viele Menschen nicht behandlungsbedürftig sind, sondern Probleme mit dem Strafrecht haben. Prognosen zum Anstieg der Konsumzahlen sind seiner Meinung nach mehr “Glaskugel-Lesen” als Wissenschaft. Die Untersuchungen und Erfahrung aus Canada, Uruguay und den USA haben keinen Nachweis hierfür gezeigt. KonsumentInnen ohne Behandlungsbedarf können schon jetzt in die Drogenberatungsstellen kommen und sich informieren: “Hier wird der Beratungsbedarf steigen, aber nicht dramatisch. Die Konzepte der Fachstellen hierfür liegen vor.”
Video, 134 Minuten, Gesundheitsausschuss Bundestag, 06. November 2023
Vereine
Zur Frage der Kontrolle in den Vereinen führt der DHV aus, dass man das nicht gänzlich sicherstellen könne. Die Mitversorgung über Freunde und Bekannte passiert schon jetzt massenhaft und auch nicht dramatisch. Denn auch andere Leute bieten zuhause ihren Gasten Bier oder Wein an. “So ist es und so wird es weitergehen.”
Der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) kann keine keine eindeutige Haltung zu Anbauvereinigungen oder Cannabis Social Clubs vorbringen. Es gebe hier grundsätzlich ein “für und wider”. Auf der einen Seite spräche die (Konsum)Kontrolle über die Gemeinschaft in den Clubs für diese. Aber auf der anderen Seite gäbe es mögliche Konsumanreize, vor allem durch eine leichte Verfügbarkeit, die gegen die Vereine spreche.
Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) gibt sich skeptisch, ob die Zahl von ca. 3.000 künftigen Anbauvereinen realistisch sein: “Wie viele es geben wird, werden wir sehen.” Der Bundesvorsitzende des BDK Dirk Peglow rechnet “mit einem erheblichen Kontrollaufwand für die Polizei, da die Vereine einem erheblichen Regulierungsaufwand unterliegen.” Ein Missbrauch durch den Schwarzmarkt sei allerdings nicht zu befürchten.
Akzept hält die Gesetzbegründung zum Konsumverbot in Vereinen für “lebensfremd”. Denn dort wird beim Konsum offen über Risiken gesprochen. In der bisherigen Debatte werde zu stark auf die medizinischen Risiken abgehoben. Zusätzlich seien aber auch sozialwissenschaftliche Aspekte zu den Gründen des Konsums zu beachten.
Der DHV hält das Gesetz für so restriktiv, dass nicht viele in die Vereine kommen werden. Ohnehin seien die Clubs nur für einen geringen Teil interessant. GelegenheitskonsumentInnen werden wohl nicht dazu gehören. Das habe finanzielle Gründe aber auch der Datenschutz ist ein Thema. Viele Leute haben in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit Strafverfolgung gemacht. Die Sorge vor einer Zweckentfremdung der Daten, etwa nach einem Wechsel der Regierungsmehrheit, würde viele von einer Mitgliedschaft abhalten
Der Dachverband der Cannabis Social Clubs Deutschland (CSCD) sieht große Probleme mit bürokratischen Hürden für den Betrieb der Anbauvereine. Übertriebene Vorgaben zu Abstandsregelungen, Konsumverbot und Jugendschutz seien kritisch zu betrachten. Eine Vielzahl von Regelungen deuten nach Ansicht von Steffen Geyer darauf hin, dass die “Regierung noch nicht verstanden hat, dass Cannabis in der Praxis gar nicht wirklich gefährlich ist.” Im Gegensatz zur in allen Pflanzenteilen giftigen Kartoffel, könne Cannabis gefahrlos zu Hause angebaut werden, sofern die Vorschriften dies zulassen.
Schwarzmarkt
Für den DHV ist die Verdrängung des Schwarzmarkts ein zentrales Ziel des CanG: “Das ist das A und O”. Dafür gelte es jedoch die richtige Balance zwischen Kontrolle und Freiheit für den legalen Anbau und Weitergabe zu finden. Georg Wurth bringt es auf den Punkt: “Wenn ich zu restriktiv bin, dann habe ich viele Leute auf dem Schwarzmarkt. Mehr Restriktionen = mehr Schwarzmarkt”.
Peter Raiser von der DHS sieht keine Garantie, dass der Schwarzmarkt gänzlich verdrängt werden kann. Allerdings könnten Mindestpreise und Kontrollen die Konsumanreize begrenzen und damit die Konsumzahlen und möglichen Schäden eindämmen. Zu hohe Abgaben wären hierbei nicht hilfreich: “Wenn die Steuern zu hoch sind, dann tun wir dem Schwarzmarkt einen Gefallen.”
Umsetzung
Aus Sicht der Medizinalindustrie sieht Constantin von der Groeben (Demecan) die Notwendigkeit für einen tiefgreifenden Wandel: “Der Cannabismarkt in Deutschland muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Geben sie uns 12-18 Monate Zeit. Dann ist die Industrie hier in Deutschland auch in der Lage den medizinischen Bedarf aus heimischen Anbau zu decken.”
Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) hält das CanG nicht für kontrollierbar, da die Vielzahl an Vorgaben die aktuelle Personalsituation überfordern würde. Allein die Verbote festzuschreiben, garantiere deren Einhaltung nicht: “Feuerwerkskörper sind im Fussballstadion auch verboten. Trotzdem kommt es immer wieder dazu”. Alexander Poitz von der GDP sieht die Polizei zeitlich nicht ausreichend vorbereitet, um das Vorhaben des Gesetzes mittragen zu können.
Aber auch die Länderregierungen könnten zum Spielverderber werden. Der Freistaat Bayern hat eine Verhinderungen um jeden Preis bereits angekündigt. Aus Sicht des DHV wird es aus politischen Gründen eine Mitsprache für die Länder geben müssen. Aber je weniger regionalen Spielraum es gebe, desto besser. Denn damit werde Rechtssicherheit geschaffen und Willkür, etwa bei Bußgeldern, verhindert.
Welche Streitpunkte im Detail noch angepasst werden, zeigt spätestens die nächste Lesung. Viel Zeit für Anpassungen gibt es allerdings nicht mehr. Schon am 16.11.2023 soll der Bundestag über das finale Gesetz abstimmen. Diskussionen gibt es bis dahin noch viele – auch innerhalb der Regierungskoalition. Denn das FDP-Verkehrsministerium schuldet nicht nur den Sachverständigen einen Entwurf für neue THC-Regelungen im Straßenverkehr.
Bildquellen
- Foto eines Stempels auf Gesetzestext: Foto von Markus Spiske auf Unsplash
- Foto des Plenarsaals im Deutschen Bundestag von oben durch Glasdecke: Foto von Claudio Schwarz bei Unsplash
- Foto eines Lineals: Foto von Michael Myers auf Unsplash
- Foto des Sitzungssaals im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags: Foto von Kira Hofmann / photothek auf Deutscher Bundestag