12 Haftentlassungen, 300 Feinwaagen und viele offene Fragen zur weiteren Umsetzung des Cannabisgesetzes in Sachsen. Staatsministerin Köpping hatte sich schon am 09. April in ihrem Podcast mit Ministerkollegen Dullig zur Teillegalisierung geäußert. Seither ist es still um das Thema geworden und das Ministerium gab sich eher wortkarg. In einer parlamentarischen Anfrage hat die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) nun um Antworten gebeten. Das Ergebnis ist gleichzeitig überschaubar und staatstragend geheimnisvoll.
In der Antwort benötigt das Sozialministerium (SMS) geschlagene sechs Seiten, um den Eindruck ministerialer Geschäftigkeit zu erzeugen und einen Arbeitsnachweis der Landesregierung darzulegen. In großer Ausführlichkeit beschreibt das Ministerium den Aufwand, der in Verwaltung und Justiz für die Prüfung von Urteilen und Akten investiert wird. Das hat bisher immerhin zu 12 Haftentlassungen geführt und auch die Tilgung der BTM-Einträge im Bundeszentralregister werde derzeit vorbereitet. Hierzu habe die Justiz auch zeitweise Richter an die zuständigen Staatsanwaltschaften ausgeliehen.
Des weiteren lässt das Ministerium wissen, dass alle Schulen in Sachsen über die veränderte Rechtslage informiert wurden und LehrerInnen nicht bekifft unterrichten dürfen. Auch die Polizei mache ihre Arbeit gut und habe schon 300 Feinwaagen angeschafft und Schulungsmaterial für PolizistInnen zur Verfügung gestellt. Ansonsten wurde laut SMS sehr viel Zeit in Information und gegenseitige Koordinierung zwischen verschiedenen Stellen auf Kommunal-, Landes-, und Bundesebene gesteckt. Auch digitale Suchthilfeangebote für den ländlichen Raum habe man intensiv begutachtet und für geeignet befunden.
Keine Klarheit im Vollzug
Bei den Schulungen für Präventionsbeauftrage duckt sich das Ministerium jedoch aus der sächsischen Verantwortung und verweist auf bundesweite Zuständigkeit der BzGA. Für die Antragstellung der Anbaugenehmigung würden zwar vier Vollzeitstellen im Sozialministerium eingeplant, deren genaue Arbeitsweise ist jedoch weiter unklar. Denn die Rechtsverordnung und Vollzugshinweise hierfür sind immer noch in der Ausarbeitung.
Entscheidende Punkte und Details zur Umsetzung von Prävention und Regelungen für die Anbauvereine, bleibt das SMS also weiter schuldig. An zwei Stellen beschört das Ministerium sogar das Exekutivgeheimnis nach Artikel 51 Abs. 2 der sächsischen Verfassung. Insbesondere zu Fragen rund um Aufgaben der Staatsregierung und möglichen Kosten sowie bei der Frage zur der Anzahlbeschränkung der Anbauvereine nach § 30 KCanG, wird die Information zur Cannabis Geheimsache erklärt. Warum das SMS hierauf nicht antworten möchte, bleibt naturgemäß unklar. Vielleicht weil die Antwort einen Teil der Bevölkerung verunsichern könnte? Oder will man einfach nur fehlende Antworten kaschieren und sich lästige Nachfragen vom Hals halten?
Nagel: Einen Gang zulegen
Fragestellerin Juliane Nagel vermisst unterdessen konkrete Ansagen und mahnt das Land zu mehr Tempo in Bezug auf die Regelungen für Vereine: “Hier ist in Sachsen vieles noch unklar. Das Sozialministerium muss hier einen Gang zulegen, damit es am 1.7.2024 auch wirklich losgehen kann”. Auch bei der finanziellen Verantwortung zum Thema Prävention und Jugendschutz sieht sie den Freistaat in der Pflicht:“Sachsen darf sich keinen schlanken Fuß machen und muss Prävention auch finanziell unterstützen. Entscheidend ist der Paradigmenwechsel weg von Tabuisierung und Verteufelung hin zu sachlicher Prävention, die auf Drogenmündigkeit orientiert ist”, so die linke Abgeordnete gegenüber greenkeepers.
Druck für klare Regeln kommt aber nicht nur aus dem Parlament, sondern auch von den anderen Landesministerien. Jüngst forderte das sächsische Innenresort das Haus von Petra Köpping um mehr Tempo bei der Erarbeitung einer Landesverordnung. Nicht um Rechtssicherheit für Vereine oder KonsumentInnen zu stärken, sondern um einen eigenen Bußgeldkatalog vorzulegen. Wenig überraschend, in Anbetracht knapper Haushaltsmittel im Freistaat. Und vielleicht können sich Kretschmer und Schuster so doch noch mit Cannabis versöhnen. Denn blühende Landschaften und volle Kassen waren ja schon immer ein Kernanliegen der Sachsen-CDU.
Verfassungswidrige Verschärfungen?
Erschwert wird das Ganze auch durch die drohenden Änderungen im KCanG. So soll es den Vereinen verboten werden, Beschäftige für mehr als nur eine Tätigkeit zu bezahlen oder gebündelte Dienstleistungen an externe Anbieter auszulagern. Was vielleicht nach einer sinnvollen Regelung gegen Großkonzerne, Kapital- und Betrugsmaschen klingt, könnte aber bei allzu restriktiver Auslegung auch dazu führen, dass Vereine nicht einmal Räume und Strom vom gleichen Vermieter nutzen könnten. Was im bayerischen Innenministerium auf Begeisterung stößt, hat unterdessen bereits Widerstand aus der Community und Cannabiswirtschaft geweckt. So wendet sich das Portal CSC-Maps mit einer Petition an den Bundestag und bezweifelt zudem die grundsätzliche Rechtmäßigkeit weiterer Einschränkungen.
Die Kanzelei Witzel Erb, Backe & Partner aus München sieht in den vorgeschlagenen Änderungen eine “Verletzung der verfassungsrechtlich garantierten Privatautonomie der Vereine und Verletzung der Berufsfreiheit”. Außerdem würde eine weitere Bürokratisierung des CanG die ursprünglichen Ziele des Gesetze unterlaufen, den Schwarzmarkt stärken und Verwaltungsgerichte zunehmend belasten. Ob sich diese Rechtsansicht durchsetzt, bleibt abzuwarten. Aber nicht nur im Haus von Karl Lauterbach in Berlin, sondern auch in den Fachabteilungen des sächsischen Sozialministeriums, wird man sich über die Legalität der Protokollnotizen Gedanken machen müssen.
Vielleicht gelangt man auch in der ministerialen Sozialdemokratie zu der Erkenntnis, dass die Stärkung von Prävention nicht über die zunehmende Belastung der Anbauvereine funktioniert. Sondern über mehr Mittel für Beratungsstellen und den Kinder- und Jugendschutz.
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