Legalisierung in Sichtweite

Legalisierung in Sichtweite

Die finalen Änderungen zum Cannabisgesetz liegen vor. Was hat sich verbessert, was verschlechtert? Was bedeutet das für KonsumentInnen und Vereine?

Die Legalisierung von Cannabis hat einen holprigen Start hingelegt. Von der ersten Ankündigung im Koalitionsvertrag über das Eckpunktepapier und den ersten Gesetzesentwurf hat sich nicht nur das Legalisierungskonzept verändert – aus einer kompletten Freigabe ist eine Entkriminalisierung geworden – sondern auch die öffentliche Diskussion. Vielleicht ist das eine der wenigen positiven Begleiterschreinungen, die bereits vor der Verabschiedung des CanG eingetreten sind. Denn verabschiedet ist es noch immer nicht. Und auch in der nunmehr finalen Entwurfsversion ist, ebenso wie in der Debatte über Eigenverantwortung, Normalisierung und Prävention, noch deutlich Luft nach oben.

Holprig war auch die Community-Diskussion der beiden SPD-Abgeordneten Carmen Wegge und Dirk Heidenblut am Montagabend. Nachdem die Bündnisgrüne Kirsten Kappert-Gonther die finalen Verhandlungspunkte über Twitter mitgeteilt hatte, haben sich ihre Ampel-KollegInnen den Fragen vieler KonsumentInnen gestellt und versucht, das Ergebnis der zähen Verhandlungen möglichst positiv umzudeuten. Dass der Stream erst nach mehreren Anläufen starten konnte, Heidenblut zwischenzeitlich höchst unvorteilhaft einfror und Wegge erst nach der Hälfte überhaupt zugeschaltet werden konnte, war mehr als symptomatisch für den gesamten Gesetzgebungsprozess. Denn egal ob im Parlament oder bei Instagram, entscheiden am Ende immer auch technische Details und die Frage, wer wann, was wozu sagt und ob die eigene Stimme überhaupt Gehör findet.

Das haben auch auch mehr als 1000 BesucherInnen des Streams versucht. Fragen und Kommentare gab es viele. Auch die Aussicht, dass sich einige Unklarheiten und zu strenge Regelungen noch auf den letzen Metern auflösen. Doch dort, wo Hoffnung ist, ist auch die Enttäuschung nicht weit. Denn die Kernpunkte des bisherigen Entwurfs wurden nur in Teilen berührt und viele der Anpassungen greifen den Forderungen einer kompletten Legalisierung weiterhin zu kurz.

Was steht drin?

Wem die bisherigen 188 Seiten zum Gesetzentwurf vom 16. August noch nicht ausrechend kleinteilig erschienen, bekommt nun weitere 77 Seiten der Änderungsvorlage hinzu. Viel Papier für wenig Gras? Am Ende ist Politik immer ein Spiel der Zugeständnisse, ganz so wie Heidenblut richtig bemerkt: “Kompromisse sind halt immer Kompromisse und wir erreichen nie das 100-prozentige Ziel”. Immerhin hat sich die Besitzmenge bei privatem Anbau verdoppelt, die Abstände für öffentlichen Konsum wurden halbiert und die AutofahrerInnen müssen bei Konsum nicht mehr automatisch mit dem Verlust des Führerscheins rechnen.

Anbauvereine – Hier gibt es sehr viele Änderungen zu Mitgliedschaft, Antragstellung und Regelungen für Vorstände. So müssen mögliche Mitglieder seit mindestens sechs Monaten ihren Wohnsitz in Deutschland haben, die Vorstände müssen Mitglieder sein, Vereine müssen Verurteilungen von Vorständen melden, eine Anbauerlaubnis ohne Gesundheits- und Jugendschutzkonzept bei der Antragstellung wird ausgeschlossen und die Kontrollbehörde wird befugt, Material, Gegenstände und Düngemittel von Vereinen zu prüfen.

Strafrahmen – Es sind mehrere Strafverschärfungen für die Abgabe enthalten. So ist beispielsweise eine Erhöhung der Mindeststrafe auf zwei Jahre vorgesehen, wenn Cannabis gewerbsmäßig an Minderjährige abgegeben wird. Auch die Anstiftung von Minderjährigen wird als besonders schwerer Fall eingeordnet, was die Strafverfolgung insbesondere im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität erleichtern soll. Hierzu zählen auch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen wie Telefonüberwachung oder Online-Durchsuchung oder die Durchsuchung von Räumen in der Nacht. Ob diese Fälle in der Praxis eine nennenswerte Relevanz haben werden, wird sich zeigen. Schon jetzt sind sie zumindest symbolisch ein Zugeständnis an Polizei und Strafverfolgungsbehörden. Einzig die Anwendbarkeit von
§ 31a BTMG verspricht Entschärfung, wenn geringe Schuld und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung und lediglich Eigenverbrauch vorliegt.

Prävention – Hier ist nicht sehr viel passiert. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) erhält eine Umsetzungsfrist für Informationsangebote, bei einer Frühintervention von Konsum durch Minderjährige können jetzt allgemein die Träger der Jugendhilfe tätig werden, der Beipackzettel heißt jetzt Informationszettel und Suchtberatungsstellen dürfen Präventionsschulungen für sonderbeauftragte Personen anbieten.

Konsum und Eigenanbau – Der sicherlich wichtigste Punkt ist die Anpassung der Besitzmenge. Hier wird unterschieden in 25 Gramm getrocknetes Cannabis für den öffentlichen und 50 Gramm für den privaten Besitz. Geringfügige Grenzüberschreitungen um 5 bzw. 10 Gramm sollen als Ordnungswidrigkeiten und nicht als Straftaten eingeordnet werden. Zusätzlich ist der private Anbau mit 3 Pflanzen weiter zulässig. Die Frage zur Unterscheidung zwischen trocken und feucht hat bereits zu Diskussionen geführt, die in der Praxis sicher fortgeführt werden.

SIchtweite – Ebenfalls diskussionswürdig ist der Kunstgriff für die Neuregelung des Konsumverbots in Nähe zu Kinder- und Jugendeinrichtungen. Hier ist nun von “Sichtweite” die Rede, die spätestens bei über 100 Metern nicht mehr gegeben sein soll. Wer aber wie, wen genau sehen können muss, damit diese Regelung greift, bleibt unklar. Auch hier werden sich Gerichte mit der genauen Ausgestaltung von Legalisierung und Sichtweite beschäftigen müssen. Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband hat seine Absicht erneut wiederholt, gegen die Abstandsregelung klagen zu wollen.

Straßenverkehr – Hier soll es zu einer Angleichung der Regelungen wie bei Alkohol kommmen. Das heißt, selbst der regelmäßige Konsum führt nicht mehr zu Eignungszweifeln. Nur bei einer nachweislichen “Cannabisproblematik” könnte der Führerschein wackeln. Die konkreten Grenzwerte für aktives THC bleiben jedoch weiter offen. Bis Ende März 2024 sollen diese von einer Kommission des Verkehrsministeriums erarbeitet werden.

Rechtskraft – Unabhängig davon, wann es denn nun beschlossen wird, soll das Gesetz erst am 01.04.24 für Eigenanbau und Besitzmenge in Kraft treten. Die Regelungen für Anbauvereinigungen sollen sogar noch bis 01.07.24 verschoben werden. Das heißt, der Besitz und der private Eigenanbau sind ab April erlaubt. Die Cannabis Social Clubs müssen jedoch noch bis zum Juli warten. Bis dahin gilt weiterhin das BTMG. Wie jedoch KonsumentInnen zwischen in Kraft treten des Gesetzes und einer ersten Ernte an legales Cannabis kommen, das lässt der Änderungsentwurf offen.

War es das wert?

War da nicht noch viel mehr drin? Sollte man das nicht gleich sein lassen? Ja, nein, vielleicht. Über Gesetze kann man immer streiten und im Fall des CanG werden die vielen Regelungen sicher dazu führen, dass die Gerichte das auch noch ausführlich tun werden. Aber die Legalisierung ist in Sichtweite und festzuhalten bleibt, dass nun auch in der deutschen Cannabis-Politik eine andere Zeit angebrochen ist. Es ist vielleicht nicht die Zeit der Vernunft, die sich viele ersehnt haben. Aber es ist eine Zeit, in der ein Hashtag für Legalisierung am Samstagabend mit “Wetten, dass.. ?” auf Twitter konkurriert. Am Ende geht Thomas Gottschalk und mit ihm ein Altherrenweltbild, das in den 80er Jahren stehen geblieben ist. Und das CanG? Das kommt. Dieses Jahr oder nächstes Jahr, wetten?

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