Mit viel Aufregung und Zwischenrufen wurde heute der Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis (CanG) in den Bundestag eingebracht. Die Bundestagsvizepräsidentin fasste die Erste Lesung des CanG treffend zusammen: “Emotionale Themen brauchen manchmal auch emotionale Debatten”. Obwohl das erste Eckpunktepapier bereits seit über einem Jahr vorliegt und bekannte Positionen seither routinemäßig ausgetauscht wurden, spaltet das Thema weiterhin. Einzig bei der Gefahr für die Gehirnentwicklung bis zum Alter von 25 Jahren und der Ablehnung von Kürzungen im Präventionsetat waren sich alle Abgeordneten einig.
Überblick zur Cannabisdiskussion
Gesundheitsminister Karl Lauterbach verurteilte die bisherige Verbotspolitik als Holzweg, verweist auf positive Erfahrungen aus Canada, verspricht mehr Prävention und will den “Konsum so sicher machen, wie man ihn machen kann”. Auch Burkhard Blienert, Drogenbeauftragter der Bundesregierung, macht sich für Schutz und Prävention stark und fordert eine Politik, die anstelle von “Ideologie die Gesundheit in den Mittelpunkt” stellt.
Die Union ist enttäuscht und fordert Lauterbach auf, sich zwischen Gesundheit und Drogen zu entscheiden. Verweise auf Alkohol lehnt Volker Ulrich als unzulässige Ablenkung ab. Melanie Bernstein sieht die Schutzinstinkte von Müttern und Vätern unberücksichtigt. Und Simone Borchardt hört das gesamte Gesundheitssystem schreien und kann keine Notwendigkeit für eine Gesetzesänderung zu Cannabis erkennen.
Die SPD sieht in dem Gesetzesentwurf noch nicht “das Ende der Fahnenstange”. Man brauche eine “richtige Legalisierung“, so Dirk Heidenblut. Seine Parteikollegin Carmen Wegge bezeichnet das CanG als “Revolution in der deutschen Drogenpolitik” und entschuldigt sich für “begangenes Unrecht” der Vergangenheit.
Für Bündnis 90/Grüne werde jetzt ein Paradigmenwechsel eingeläutet, der mit gescheiteter Verbotspolitik Schluss macht. Dies sei ein “Durchbruch, für den viele Menschen jahrzehntelang gekämpft haben”, so die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Kirsten Kappert-Gonther. Die grüne Abgeordnete Linda Heitmann begrüßt “klare Regeln” für den Jugendschutz und fordert eine gleich strenge Anwendung auf Alkohol und Tabak.
Die FDP-Abgeordnete Kristine Lütke entdeckt ungenutzte wirtschaftliche Potenziale von Nutzhanf, Medizinal- und Genusscannabis. Viele der bisherigen Streitpunkte wie Abstandsregeln, Verbotszonen, Mengenbegrenzung und Überregulierung müssten aber noch angepasst werden.
Emotionale Debatte zwischen Prävention, Revolution und Hirnschäden
Jörg Schneider von der AFD polemisiert gegen eine vermeintliche “Berlin-Prenzelberger-Schickeria, die auf E-Bikes zu Kiffer-Kommunen” fährt ohne kontrolliert werden zu können. In dem geplanten Legalisierungsvorhaben will er eine Rot-Grüne Agenda ausmachen, die mit Corona-Masken Atomkraftwerke abschaltet und die Hamas finanzieren würde.
Ates Gürpinar von der Linken gratulierte den Regierungsfraktionen zum Gesetz und bezeichnet es als “Riesenerfolg”. Dennoch müsse an vielen Stellen nachgebessert werden und am Ende sollte eine Entkriminalisierung von allen Drogen stehen. Schädlicher als die berauschenden Substanzen seien seiner Ansicht nach die gesellschaftlichen Missstände, die Menschen überhaupt erst zu problematischem Konsum drängen.
Die Anträge von Union und AFD für einem Stop der Legalisierung von Cannabis, erhielten keine Mehrheit. Damit ist der Weg für das weitere parlamentarische Verfahren frei. Der Gesetzentwurf wird als Nächstes im Gesundheitsausschuss beraten. Hier ist wieder mit vielen Emotionen und Änderungsanträgen zu rechnen. Denn nach der Debatte ist vor der Debatte. Die vollständige Sitzung im Video: 48min, 18.10.2023, Deutscher Bundestag
Ein Kraut, viele Meinungen
Doch nicht nur im Bundestag geht die Diskussion über den Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis weiter. Ein kurzer Blick in die Nachrichten vom 18.10.2023:
- Der Deutschlandfunk hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Interview: “Raus aus der Tabuzone”.
- Die Zeit spricht mit dem Drogenbeauftragten der Bundesregierung Burkhard Blienert: “Ein Unding, dass man auf Bahnsteigen immer noch rauchen kann”.
- Die Legal Tribune Online rekapituliert die Komplikationen der bisherigen Gesetzgebung und spekuliert über Grenzwertanpassung im Straßenverkehr: “Gesetz zur Warnung vor Hirnschäden”.
- Die Wirtschaftswoche sieht viel Frust im Gesetzentwurf und fordert einen kompletten Neuanfang: “Entspannt euch und lasst die Gedanken kreisen”.
- Die taz geht der Frage nach, wie schädlich Cannabisanbau für das Klima ist und präsentiert Berechnungen von US-Forschern: “Kiffen und Klimakrise: CO₂-Riese Cannabis”.
- Die Tagesschau beschäftigt sich mit der Frage, warum die Legalisierung trotz der Gesetzesinitiative weiter schwierig bleibt und verweist auf Kritik von Befürwortern und Gegnern: “Warum ‘Bubatz’ legalisieren nicht so einfach ist”.
- Auch der MDR verweist auf viele Probleme und sieht das Legalisierungsvorhaben bereits jetzt an seinen eigenen Ansprüchen scheitern: “Cannabisgesetz jetzt doch noch im Bundestag – mit begrenzter Aussicht auf Erfolg”.
- Der Spiegel zeigt die Erfahrungen zur Legalisierung aus anderen Ländern auf: “Bundestag berät erstmals über Cannabislegalisierung” und fasst die erste Lesung zusammen: “Kiffen, aber sicher”.
- Das Ärzteblatt stellt ausführlich die Argumente des Gegenantrags von CDU/CSU vor: “Union will Cannabislegalisierung mit Antrag stoppen”.
- Auch auf der Frankfurter Buchmesse ist das Thema präsent. Die Historikerin Helena Barup und der Suchtmediziner Gernot Rücker diskutierten die Frage: “Wie gehen wir mit Drogen um?”.
Bildquellen
- Foto eines Hanfblatts im Detail: Foto von Esteban López auf Unsplash
- Foto von Rauch auf schwarzem Hintergrund: Foto von Daniele Levis Pelusi auf Unsplash
- Foto von Zapfhahn mit Händen: Foto von Yosuke Ota auf Unsplash
- Foto einer Person auf gelber Treppe: Foto von Jake Hills auf Unsplash